Ein wenig Kontext
Ist eine Weile her, dass ich etwas geschrieben habe. Merkwürdig, wie manche Projekte sich entwickeln. Ich arbeite mir die Finger wund, schreibe, denke, leide und halte mich sklavisch an meine selbst auferlegten Pläne. Hab mein Journal, mein Mantra und die Illusion mein Leben im Griff zu haben. Ich bilde mir so viel darauf ein und hege die Hoffnung, dass ich irgendwie eines Tages zu dem Club derjenigen gehöre, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen. Einmal die Woche rede ich mit meiner Schwester, der einzigen Person in meinem Leben, vor der ich mich vollkommen ehrlich zeigen kann. Sie nennt, was ich tue Selbstgeißelung und sie hat vermutlich Recht.
Nach meinem Marathon und der Veröffentlichung dieses Blogs, der ersten großen Ziele, die ich mir selbst für dieses Jahr gesetzt habe, fing das Kartenhaus an zu wackeln. Mein Journal führe ich weiterhin aber nicht mehr so gewissenhaft und ich habe das Gefühl, was ich mir selbst zu sagen habe, ist nicht mehr so fundamental und wahr, wie es am Anfang war – wo ich noch mitten in einer Lebenskrise steckte. Egal, weil irgendwie läuft ja alles und Freunde sind wieder da, im Job gehts wieder bergauf und ich plane und realisiere Dinge, die mir guttun. Und doch bin ich allein und ich mag es nicht allein zu sein.
Ich habe also sehr bald, nachdem meine Ehe in die Brüche gegangen ist angefangen auf Dating Portalen nach Gesellschaft zu suchen. War natürlich totaler Quark, denn ich war überhaupt nicht so weit, mich auf jemanden einzulassen. Und dieses furchtbare Geplänkel: Mein Haus, mein Auto, mein Boot – kannst du Bachata tanzen? WTF… Und doch kann ich nicht aufhören, bin die ganze Zeit am Swipen und führe diese belanglosen Gespräche, nur um mir vor dem ersten Treffen eine Ausrede einfallen zu lassen, doch nicht zu erscheinen und dann die Person zu ghosten. Also weg vom Portal – und neue Regel ins Mantra: „Keine Dating Portale für diesen Monat!“
VRNK
Dann besuche ich meine gute Freundin B auf Mallorca und sie macht Fotos von mir am Strand und wir eröffnen ein neues Profil. Aus Spaß… und der ganze Krempel geht von vorne los: Bis dann das Universum mir mit voller Wucht einen vor den Latz knallt: VRNK fuck yeah! Coming again to save the motherfucking day yeah!
Wir sind ein mega Match: Filme, Sport, Humor, Ernährung und unsere Perversionen sind alle an einer Gerade ausgerichtet, wie bei einer Planetenparade. Wir verstehen und auf Anhieb, schreiben uns Romane und verabreden uns zum Laufen an einen Sonntag. Einen Tag davor treffen wir uns, weil es schön ist und gehen in den Park, klettern auf einen Turm, von dem aus dem man über die ganze Stadt sehen kann und sitzen auf einer Wiese, bis es viel zu kalt wird. Am nächsten Tag kommt sie in der Früh zu mir und hat einen halben Hausstand dabei – nur den Maskara hat Sie vergessen. Wir gehen laufen, fahren Tretboot über einen See, laufen zurück – sie sitzt barfuß, in einem Kleid auf meinem Bett und erzählt mir: Sie ist total lost – gefangen in irgendeiner toxischen Scheiße, mit Ihrem Kind und ihrem Ex, die sie mobben. Und mein Herz brennt.
Wir gehen essen, wir wollen uns küssen, tun es aber nicht und meine Lippen landen auf Ihren Nacken. Ich bringe Sie zur Bahn und die wilde Fahrt in den Abgrund beginnt. Ich denke an die Frauen, in meinen Leben, mit denen ich Beziehungen eingegangen bin. Ich denke an die totalen Eskalationen, mit C nachts um 2 schreiend, bis die Nachbarn kommen. Ich denke an B, die nicht wusste, wohin mit sich und ich denke an mich, der ohne Drama scheinbar nicht lieben kann. Und ich weiß, das hier ist viel schlimmer und wird nicht gut enden und doch will ich nichts mehr als das in meinem Leben.
I guess some people are just born with tragedy in their blood.
Donnie Darko
Wire to Wire
Wie es ausschaut, teilen wir dieselbe Narbe auf unserer Seele. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der sich so stark selbst geißelt, wie sie. Sie ist jemand, die die Schuld immer bei sich selber sucht und denkt, wenn sie es nur besser oder anders macht, so wird es irgendwann mal besser. 1,5 Wochen und 1,5 Tage hatten wir gemeinsam. In dieser haben wir uns unser Leben voreinander ausgebreitet, uns Bilder unserer Körper geschickt, Pläne gemacht und gemeinsam mehr gefühlt als in den trockenen Jahren zuvor. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so schnell mit jemanden verbunden gefühlt.
So nah und doch Welten entfernt. Ich denk an Suzanne: „And you want to travel with her, and you want to travel blind. And then you know that she will trust you. For you’ve touched her perfect body with your mind“. Aber wir sind beide halb-verrückt und werden es noch eine Weile bleiben. Das nächste mal, wenn wir wieder umeinander schwirren: Tee und Orangen am See.
Sie sagt: „Aber Mäuschen, nicht in diesem Leben werden wir eins. Ich könnte heulen, tue ich auch!“
Ich auch.