Für mich lag immer etwas Besonderes im Schreiben. Zu jeder Zeit, in der ich das Gefühl hatte, eine wichtige Phase meines Lebens zu durchschreiten, hatte ich auch das Bedürfnis, meine Erlebnisse schriftlich festzuhalten. Gerade wenn es darum geht wichtige Erlebnisse zu protokollieren und ich so nah wie möglich an meinen Gefühlen bleiben will, schreibe ich. Am liebsten mit Füller und Tinte. Seit einiger Zeit habe ich angefangen das Schreiben zu einem täglichen Ritual zu machen. Das hat die Art, wie ich auf mein Leben blicke komplett verändert. Es sorgt dafür, dass fast alles, was ich mache, für mich präsent und bedeutsam ist. Da ich den Begriff Tagebuch nicht mag, nutze ich das, für mich, schönere Wort Logbuch.
Ein Anker in der Realität
Der erste wichtige Effekt, den das Logbuch auf mich hat, ist, dass es Struktur in mein Leben bringt. Es bildet die Basis für meine Entscheidungen und sorgt dafür, dass ich wichtige Dinge nicht aus den Augen verliere.
Hierbei ist Regelmäßigkeit entscheidend. Ich kann zwar gut damit leben, mal einen oder zwei Tage nichts zu schreiben, aber das sollte eine Ausnahme bleiben. Derzeit würde ich sagen, dass ich an 26 von 31 Tagen im Monat einen Eintrag mache. Das ist eine gute Zahl und es sollte nicht weniger sein. Gerade wenn ich einen Tag auslasse und versuche diesen in meinen nächsten Eintrag einfließen zu lassen, merke ich, wie schnell die Zeit zerfließen kann und Ereignisse aus dem Gedächtnis verschwinden.
Ein Logbucheintrag ist meist eine DinA4 Seite lang – mehr wird es, nur wenn ich eine größere Erkenntnis gewonnen habe oder etwas Wichtiges in meinem Leben passiert ist. Da ich mein Logbuch üblicherweise am Anfang des Tages beim Kaffee schreibe, habe ich meist eine Nacht über alle Erlebnisse, die ich berichtenswert finde, geschlafen. Ich denke, das hat etwas Gutes, denn so halte ich mich nicht mit zu vielen unwichtigen Details auf und berichte nur das, was mir so bedeutsam erscheint, dass ich es auch am nächsten Morgen behalten habe.
Das Schreiben des Logbuchs ist Teil eines festen Rituals. Ich mache meinen Kaffee, schreibe eine Seite in mein Logbuch und dann lese ich mir das Mantra des aktuellen Monats zweimal laut vor. Nach dem zweiten Lesen des Mantras schließe ich meine Augen und visualisiere den Tag, der vor mir liegt und gehe einmal alles, was ich tun will in meinen Gedanken durch. Dieses morgendliche Ritual steht somit an der Schwelle zwischen Vergangenheit und Zukunft. Ich lasse noch einmal alles, was gestern geschehen ist, Revue passieren und halte es in Schriftform fest. Dann vergegenwärtige ich mir, wer ich bin, was ich will und stelle mir vor, was ich mit diesem neuen Tag machen möchte. Auf diese Weise verankere ich mich in der Realität und sorge dafür, dass ich nicht durchs Leben treibe, wie ein Blatt im Wind.
Struktur und Kontinuität
Ich erwähne hier das Mantra, weil es direkt mit meinem Logbuch verknüpft ist. Denn der zweite wichtige Faktor des Logbuches, ist dessen Analyse. Ich mache diese regelmäßig einmal im Monat. Dabei gehe ich alle Einträge durch und markiere mir die Stellen, die Informationen enthalten, die mir wichtig sind. Die Analyse unterteile ich dann direkt in die drei Aspekte der Life Force: Körper, Soziales und Geistiges.
So führe ich mir regelmäßig vor Augen, wie ich mich entwickle, während ich durch mein Leben schreite. Wie sich Beziehungen zu Menschen verändern und wie Projekte voranschreiten. Durch das Logbuch und dessen Analyse lerne ich mich jeden Monat besser kennen und ich sehe direkt, in welche Richtung sich mein Leben entwickelt. Im Endeffekt weiß ich durch diese Praxis ziemlich genau, wer ich gerade bin.
Für mich ist das etwas, was ich in der Form nicht in meinem Leben hatte. Klar hatte ich Ziele und Strategien, diese erreichen. Aber wirklich vollumfänglich, der meisten Aspekte meines Seins bewusst zu sein – das ist etwas Neues für mich.
Zu sehen, wie ich mich entwickle und diese Entwicklung bewusst zu steuern gibt mir Kraft. Ich weiß zwar immer noch nicht, was genau ich von dieser Welt will aber ich weiß, dass die Dinge, die ich tue, Dinge sind, die ich auch tatsächlich will. Das weiß ich, weil ich es schwarz auf weiß vor mir stehen habe. Und weil es dasteht, geht es auch nicht verloren und wird langsam aber sicher irgendwann wahr.